Dass Edeka nicht nur Lebensmittel liebt, sondern auch für die Auszubildenden viel übrig hat, davon konnte ich mich in der vergangene Woche überzeugen. Da nahm ich an der 5. BIBB-Tagung der Reihe „Digitale Medien – analoge Wirklichkeiten“ teil, die das Bundesinstitut diesmal in Kooperation mit der EDEKA-Zentrale in Hamburg durchgeführt hat. Schwerpunkt waren diesmal Lehr- und Lernwelten in kaufmännischen Berufen. Aufgefallen sind mir viele gute Ideen und Ansätze, die es in Unternehmen und beruflichen Schulen gibt. Allerdings gibt es auch immer noch viel zu tun, was die wenigen kritisch-konstruktiven Reflexionen zusammenfassen.
– Bei so vielen Themen wird immer noch alles in einen Topf geworfen, was vielleicht ganz unterschiedlich diskutiert werden sollte. Es wird nicht zwischen dem Lernen über digitale Medien, zum Beispiel zum Erlangen von Medienkompetenz, dem Lernen mit digitalen Medien, zum Beispiel zur Recherche von Informationen oder dem Simulieren komplexer Systeme und dem Lernen, wie man mit digitalen Medien lernt, z. B. zur Erlangung von medienbezogenen Facetten der Lernkompetenz unterschieden. Das muss aber klar sein, weil man ansonsten nicht versteht, worüber gerade gesprochen wird und dann natürlich alle aneinander vorbeireden, alle das richtige sagen, aber eben nur zu einem der genannten Aspekte.
– Spannend ist, dass viele immer noch erkennbar das Instruktionsparadigma im Kopf haben, auch wenn Sie sehr moderne Vortragsformen wählen. Das ist verständlich, weil wir alle darin aufgewachsen sind. Ich habe früher selbst einmal mit einem Computerkurs in der Schule angefangen und später Anfängerkurse für Computer an der Volkshochschule gegeben. Da habe ich gelernt, dass nicht Wissen und Können den Unterschied ausmacht, ob jemand digitale Medien sicher benutzt und mit diesen also auch andere Dinge lernt, sondern die Einstellung, die Persönlichkeit. Es macht also gar keinen Sinn zu versuchen, jemandem – zumal Jugendlichen – einen sicheren Umgang mit digitalen Medien beibringen zu wollen. Ob sie diese sicher nutzen ist mehr eine Frage der Persönlichkeit. Das zeigen auch aktuelle Forschungsergebnisse wie die auf der Tagung vorgestellte Studie „Wie ticken Jugendliche 2016“. Das ernst genommen kann man dann aber vergessen, auf Jugendliche Einfluss nehmen zu wollen, was sie ins Netz stellen. Anstelle dessen könnte man schauen, dass man ihnen bei der Entwicklung einer reflektierten Persönlichkeit hilft und das kann man ja auch unter Zuhilfenahme von digitalen Medien hinbekommen.
– Letztlich sind digitale Medien ein Werkzeug, um sich die Welt zu erschließen. Also ähnlich wie Bücher und tatsächlich ist ein Buch ja etwas, das man auch auf einem Computer lesen kann. Ist das Buch dadurch ein anderes? Natürlich nicht. Digitale Medien bieten nur zusätzlich zu Buchstaben und Bildern noch viele weitere Formen des Erschließens der Welt. Darin liegt der Vorteil und damit sind auch ein paar Gefahren verbunden. Wikipedia und andere Informationszugänge deshalb zu verbieten, weil ja nicht sicher ist, ob das stimmt was da steht ist wie zu glauben, dass nur in der Zeitung, die man abonniert hat oder in der Tagesschau die Wahrheit berichtet wird. Besser wäre es doch, Jugendliche darauf vorzubereiten, eigene Wahrheiten zu finden und dafür gute Strategien zu entwickeln. Nur leider verfügen viele Erwachsene ja auch nicht über diese Strategien und oft sind Jugendliche hier sogar einen Schritt voraus. Für ihre Interessengebiete verfügen sie bereits über gut ausgebaute Strategien, zumeist unter Nutzung digitaler Medien, um sich eine eigene Meinung zu bilden (z. B. Erkennen von Trends) und auch, um neues Wissen zu erschließen, neue Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln (z. B. Tutorials auf Youtube).
– Allerdings trifft dieses positive Bild der kompetenten Jugendlichen nur auf einen Teil dieser zu. Deutlich ist ein neuer digital divide zu erkennen. Die digital natives teilen sich in die auf, die aktiv und besonnen mit digitalen Medien umgehen, diese reflektieren, selbst etwas beitragen, die Medien als Werkzeug nutzen und solche digital natives, die die vorgegebenen Wege der großen Internetkonzerne und Spielehersteller nachvollziehen, in einer passiven Konsumentenhaltung verharren und keine eigene Entwicklung beschreiten. Hier bieten sich möglicherweise Ansatzpunkte einer Medienbildung, die gelingen könnte, weil das Medium selbst derzeit noch ein hohes Motivationspotential aufweist.
– Deutsche Lehrerinnen und Lehrer (und bestimmt nicht nur diese) haben nach der ICILS-Studie im internationalen Vergleich den geringsten Wert bei der Nutzung des Internets für die Unterrichtsvorbereitung, dafür aber den höchsten Wert bei der Sorge um die Gefahren des Mediums. Beides lässt sich nur durch Kompetenzentwicklung auf ein sinnvolles, produktives Niveau bringen. Hier ist die Lehrerbildung sicherlich gefragt, weil die Persönlichkeit von Menschen, die bereits 10, 20, 30 Jahre im Beruf sind, doch ein paar nur noch schwer veränderbare Züge aufgebaut hat. Auch Bücher wurden einmal als Gefahren angesehen. Und möglicherweise haben Bücher auch zu dem einen oder anderen Konflikt beigetragen. Letztlich gibt es aber nur wenige Menschen, die die Erfindung und die verbreitete Nutzung von Büchern deshalb als Rückschritt ansehen würden. Wichtig scheint mir trotzdem, digitale Medien nicht mit den Maßstäben der Buchzeit zu messen und entsprechend auch eher Wert darauf zu legen, stärker als beim Buch den Werkzeugcharakter zur Erschließung aber auch Mitgestaltung der Wirklichkeit in den Vordergrund zu stellen. Derzeit zeigt sich am Rückgang der Mediennutzung bei einigen Jugendlichen vor allem, dass sie dies bereits erkannt haben und digitale Medien nur noch dort einsetzen, wo es sinnvoll ist.